Die junge Frau fuhr mit starken Schmerzen und Atemnot ins Spital. «Es tat satanisch weh», erinnert sich die 33-jährige N. S. aus Samstagern ZH. «Ich hatte Todesangst.» Im Spital stellten die Ärzte fest, dass Blutgefässe in beiden Lungenflügeln verstopft waren. Ein Teil der Lunge war abgestorben. Fachleute sprechen von Lungenembolien. Zehn Tage musste sie im Spital verbringen. Danach war sie vier Monate lang krank. Noch heute ist sie nicht ganz fit: «Oft spüre ich ein Stechen in der Brust. Sport kann ich nicht mehr machen.»
40 Blutgerinnsel innert vier Jahren wegen Pille
Die Spitalärzte vermuteten, dass eine Antibabypille die Lungenembolien verursacht hatte. N. S. hatte zur Verhütung jahrelang die Pille Minerva genommen. Sie ist nicht mehr als Verhütungsmittel zugelassen, weil sie häufig Blutgerinnsel ausgelöst hatte.
Auch andere Pillen machen immer wieder Probleme. Laut der Heilmittelbehörde Swissmedic erlitten in den letzten vier Jahren insgesamt 40 Frauen Blutgerinnsel, nachdem sie Antibabypillen eingenommen hatten.
Die neueren Pillen sind nicht besser. Das zeigt eine Studie aus Deutschland: Produkte wie Zoely oder Belara mit den Wirkstoffen Chlormadinon und Nomegestrol erhöhen das Thromboserisiko deutlich. Bei 10 000 Frauen, die diese Pillen nehmen, kommt es zu neun bis zwölf Thrombosefällen pro Jahr. Zum Vergleich: Bei Frauen, die keine Pille nehmen, ereignen sich nur zwei Fälle (siehe Tabelle). Das fand ein Forscherteam heraus, das die Krankenkassendaten von 25 Millionen Frauen untersucht hatte.
Dem höheren Risiko steht kein grösserer Nutzen gegenüber. Die Gesundheitswissenschafterin Ingrid Mühlhauser von der Universität Hamburg sagt: «Alle Pillen schützen gut vor ungewollter Schwangerschaft. Es gibt daher keinen Grund, Hochrisikopillen zu nehmen.»
Einige Hersteller werben für ihre Pillen mit dem Argument, sie könnten Akne lindern. Dazu gehören Produkte wie Yaz, Valette und Belara. Der Grund: Sie hemmen männliche Sexualhormone im Körper der Frauen, die verantwortlich sind für unreine Haut (siehe Tabelle im PDF). Frauenärztin Cornelia Englmann von der Frauenpraxis Runa in Solothurn sagt: «Leichte Akne wird oft besser, wenn eine Frau die Pille nimmt.»
Allerdings gibt es keine klaren Beweise dafür, dass bestimmte Pillen besonders gut gegen Akne wirken. Frauenärztin Susanna Weidlinger vom Berner Inselspital sagt, auch Pillen mit dem Gestagen Levonorgestrel könnten die Haut verbessern. Keine der Antibabypillen ist offiziell für die Therapie der Akne zugelassen. Frauenärztin Dorin Ritzmann aus Dietikon ZH rät davon ab: «Das ist keine nachhaltige Behandlung.» Wenn man die Pille absetze, könne erneut ein massiver Akneschub auftreten.
Die männlichen Sexualhormone fördern auch das Wachstum der Haare an Bauch, Rücken, Armen und Beinen. Pillen, die gegen Akne wirken, hemmen das Wachstum dieser Haare. Dorin Ritzmann rät aber auch hier von der Pille ab.
Ältere Pillen sind weniger riskant
Die Gesundheitsbehörden empfehlen Ärzten, zuerst eine Pille mit dem Wirkstoff Levonorgestrel zu verschreiben, etwa Elyfem oder Microgynon. Diese Pillen sind seit Jahrzehnten auf dem Markt und haben sich bewährt. Das Thromboserisiko ist deutlich kleiner als bei anderen Produkten. Laut Studien kommt es bei 10 000 Frauen zu fünf bis sieben Fällen pro Jahr. Frauenärztin Cornelia Englmann sagt: «Wenn eine Patientin solche Pillen nicht gut erträgt, kann man zu einem Produkt mit einem höheren Risiko wechseln.» Die Ärztinnen und Ärzte müssten den Patientinnen den Nutzen und das Risiko der verschiedenen Pillen sorgfältig erklären.
Sicherer sind da Verhütungsmittel ohne Hormone wie die Kupferspirale, das Diaphragma oder das Kondom (siehe Merkblatt). Frauenärztin Dorin Ritzmann empfiehlt Patientinnen, mit solchen Mitteln zu verhüten: «Meine Aufgabe sehe ich darin, möglichst keine Hormone zu verschreiben.»
Minerva-Hersteller Berlis sagt, er empfehle sein Medikament nur bei mässiger bis schwerer Akne oder starkem Wachstum der Körperbehaarung. Dies stehe in der Patienteninformation. Hersteller Mepha schreibt, beim Verwenden der Pille würden Thrombosen selten auftreten. Starkes Übergewicht, Rauchen und das Alter über 35 Jahre würden das Risiko erhöhen.
Die Firma Future Health sagt, eine Studie habe bei Zoely kein erhöhtes Thromboserisiko im Vergleich zu Pillen mit Levonorgestrel gezeigt. Die Studie wurde vom Hersteller durchgeführt und finanziert.
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