Herr Winizki, Schwangerschaft ist keine Krankheit. Warum sollen Krankenkassen die Kosten einer Abtreibungen übernehmen?
Es stimmt, die Schwangerschaft ist keine Krankheit. Eine Geburt aber auch nicht. Und die bezahlt die Krankenkasse ja auch.
Können Frauen, die abtreiben wollen, nicht einen Weg finden, ihr Kind zu akzeptieren?
Das ist leichter gesagt als getan. Für junge Mütter ist es fast unmöglich, eine Ausbildung zu absolvieren. Vor allem, wenn sich der Mann aus dem Staub macht. Junge Alleinerziehende werden mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später von der Sozialhilfe abhängig.
Die Initianten suggerieren, die Frauen sollten ihre Sexualpartner sorgfältiger auswählen.
So einfach ist auch das nicht. Viele Frauen haben nie gelernt, stabile Beziehungen aufzubauen. Sie suchen Nähe in flüchtigen Affären und werden schwanger. Wenn diese Frauen ein Kind alleine in grosser Not aufziehen müssen, ist niemandem gedient – auch dem Kind nicht.
«Statt abzutreiben, sollten Frauen besser auf die Verhütung achten.» Was halten Sie von dieser Aussage?
Quatsch. Auch Männer sind verantwortlich für die Verhütung, nicht nur Frauen. Aber manchmal ist die Lust stärker – vor allem, wenn man etwas getrunken hat. Das kann man mit einer Volksinitiative nicht ändern.
Viele Leute sind gegen Abtreibungen. Trotzdem müssen sie diese Eingriffe über die Prämien mitfinanzieren.
Die Grundversicherung darf ihre Leistungen nicht von moralischen Gründen abhängig machen. Es gibt auch viele Leute, die gegen Alkoholismus oder Arbeitssucht sind. Dennoch zahlen die Kassen zu Recht die Folgen dieses Verhaltens.
Dennoch: Was spricht dagegen, dass Frauen die Abtreibung selber zahlen?
Das wäre unsozial. Frauen aus der Unterschicht können sich das nicht leisten. Sie würden eventuell zu einem Kurpfuscher gehen, der den Schwangerschaftsabbruch unter unhygienischen Bedingungen durchführt. Auch müssten die Frauen zuerst das Geld auftreiben und damit zu einem späteren Zeitpunkt abtreiben. Damit steigt das Risiko von Komplikationen.
Diese Frauen könnten doch für wenig Geld eine Zusatzversicherung abschliessen.
Dieser Vorschlag ist realitätsfremd. Keine Frau rechnet damit, dass sie jemals eine Schwangerschaft abbrechen wird. Zudem würde man die Männer so aus der Verantwortung entlassen. Welcher Mann würde eine solche Zusatzversicherung abschliessen? Nur von Frauen erwartet man das – obwohl an jeder Schwangerschaft auch ein Mann beteiligt ist.
Die Initianten behaupten, sie würden einen «positiven Beitrag» leisten, um Prämien zu senken.
Jetzt kosten alle Abbrüche zusammen etwa 0,3 Promille der Grundversicherungskosten – rund 12 Rappen pro 400 Franken Monatsprämie. Höchstwahrscheinlich würden uns die fatalen Folgen der Kurpfuscher-Abtreibungen mehr kosten – ebenso die Komplikationen der aus Geldmangel später durchgeführten und somit komplizierteren Abbrüche.
Interview: Andreas Gossweiler
Zur Person: David Winizki
Der 66-jährige David Winizki hat seine Hausarztpraxis seit 1989 im Zürcher Seefeldquartier. In seiner Praxis führt er auch Schwangerschaftsabbrüche durch.