Vor acht Jahren bekam Seraina Thom aus Freienstein ZH plötzlich schweres Asthma. Sie hustete ständig und hatte Atemnot. «Beim Treppensteigen musste ich schon nach drei Stufen Pause machen», erinnert sich die 51-Jährige. Der Arzt verschrieb ihr das Medikament Symbicort. Es enthält Kortison gegen die Entzündung in der Lunge sowie einen weiteren Wirkstoff, der die Bronchien entspannt. Zwei Mal pro Tag musste Seraina Thom das Mittel inhalieren.
Seit kurzem verschreiben Ärzte solche Kombisprays schon bei leichtem Asthma. Patienten können sie bei Bedarf verwenden. Die internationale Organisation Global Initiative for Asthma empfiehlt dies in einer neuen Leitlinie. Sie spricht von der grössten Änderung bei der Asthmatherapie seit 30 Jahren.
Kortisondosis sinkt mit einem Kombimittel
Bis anhin inhalierten Patienten Krampflöser gegen die akuten Anfälle. Dazu zählen etwa Bricanyl oder Ventolin, welche die Bronchien schnell und für kurze Zeit erweitern (Tabelle im PDF). Zusätzlich nahmen Patienten jeden Tag einen Kortisonspray wie Axotide oder Pulmicort. Lungenärzte wie Thomas Rothe aus Davos GR unterstützen die neue Empfehlung. Damit habe man das leichte Asthma besser unter Kontrolle als mit der bisherigen Therapie.
In der Tat hat die neue Therapie mit dem Kombispray gewisse Vorteile: Patienten nehmen insgesamt weniger Kortison auf. Zudem verhindert die Therapie, dass Patienten zu oft einen Spray verwenden, der die Bronchien schnell und für kurze Zeit erweitert. «Denn dies kann das Asthma verschlimmern», sagt Thomas Rothe.
Trotzdem sind Experten gegenüber den neuen Empfehlungen skeptisch. In der Zeitschrift «Info-med-Screen» schreibt der Arzt Etzel Gysling: «Der zusätzliche Nutzen der Kombination im Vergleich zu Kortison allein ist nicht gerade spektakulär.» Auch die deutsche Zeitschrift «Gute Pillen, schlechte Pillen» beurteilt die neue Therapie zurückhaltend. Sie komme vor allem für Patienten infrage, die nicht regelmässig Kortison inhalieren wollen. Sie können sich mit einem Kombimittel genauso gut vor einer Verschlechterung des Asthmas schützen. Allerdings liessen sich die Beschwerden damit etwas weniger gut kontrollieren.
Keine Vorteile habe der Kombispray vermutlich bei Patienten mit leichtem Asthma, die mit der bisherigen Therapie gut zurechtgekommen sind und die kein Kortison brauchen.
Lungenarzt Martin Frey von der Aargauer Klinik Barmelweid setzt den neuen Kombispray nach Bedarf vor allem bei Patienten ein, die das Mittel zuvor schon regelmässig nahmen und es nun weniger häufig benötigen. Allerdings: «Nicht alle Patienten vertragen den Wirkstoff Formoterol im Kombimittel gut», sagt Frey. So erging es auch der 68-jährigen D. P. aus Zürich: «Ich bekam extreme Wadenkrämpfe.» Jetzt nimmt sie täglich einen Kortisonspray. «Damit komme ich besser zurecht.»
Dazu kommt: Das spart Kosten. Denn die Kombisprays sind deutlich teurer. Für eine Dosis des Kombisprays Symbicort von Astra Zeneca zahlt man rund 70 Rappen. Beim Kortisonspray Pulmicort sind es knapp 20 Rappen, beim Krampflöser Bricanyl sogar nur 15 Rappen.
Empfehlungen von Pharmafirmen beeinflusst
Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Astra Zeneca für die neuen Empfehlungen stark macht. Im Herbst startete der Pharmahersteller eine Kampagne, die vor den bisher verwendeten schnellen Krampflösern warnt. Ein Online-Test soll Patienten davon überzeugen, dass diese Mittel unter Umständen riskant sind. Astra Zeneca hatte auch bei den neuen Empfehlungen die Finger im Spiel: Sie beruhen vor allem auf zwei Studien des Herstellers. Zudem erhielten fast alle Autoren der neuen Leitlinie Gelder von Astra Zeneca und weiteren Pharmafirmen.
Unbestritten sind Kombisprays für Patienten mit mittlerem und starkem Asthma. Sie müssen ohnehin regelmässig Kortison sowie einen Krampflöser nehmen, der lange wirkt. Bei starkem Asthma setzen Ärzte weitere Medikamente ein, etwa Antikörper. Sie greifen ins Immunsystem ein und bekämpfen so die Entzündung. Von der neuen Dreierkombination Enerzair raten Experten hingegen ab (Gesundheitstipp 2/2021).
Atemübungen stärken die Bronchien
Patienten können auch selber etwas tun, um ihr Asthma zu lindern. Sie sollten nicht rauchen und sich regelmässig bewegen. Es ist wichtig, Stoffe zu meiden, auf die man allergisch reagiert, etwa Duftstoffe oder Tierhaare. Seraina Thom setzt heute auf Atemtherapie. Täglich macht sie Atemübungen, um ihre Bronchien zu stärken – mit Erfolg: «Jetzt habe ich mein Asthma im Griff.» Sie benötigt praktisch keinen Asthmaspray mehr.
Glaxo-Smith-Kline schreibt, Patienten würden ihre Medikamente meistens gut vertragen. Nebenwirkungen seien in der Patienteninformation erwähnt. Vifor Pharma sagt, Foster verursache nicht bei allen Patienten Nebenwirkungen. Laut Teva Pharma dürfen nur Fachpersonen, die einen anaphylaktischen Schock behandeln können, Cinqaero verabreichen.
Novartis sagt, die Arzneimittelbehörde habe bestätigt, dass ihre Asthmamittel sicher und wirksam seien. Laut Astra Zeneca zielt ihre Kampagne nicht darauf, Patienten zu einer anderen Therapie zu bewegen. Vielmehr wolle man über Risiken aufklären.
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