Gertrud Dill hat im linken Knie Arthrose. «Im Gelenk knackte es immer mehr», sagt die 78-jährige Bernerin. Deshalb ging sie zu einem Rheumaspezialisten. Er spritzte ihr Hyaluronsäure ins Gelenk. Auch die Klinik Pyramide am See und die Praxis First in Zürich bieten diese Behandlung an. Hyaluronsäure baue den Schutzfilm um den Knorpel im Gelenk wieder auf, schreibt die Klinik Pyramide am See auf ihrer Website. Das helfe gegen die Abnützung des Knorpels und gegen Arthroseschmerzen. Zur Behandlung gehören drei «Schmierspritzen» im Abstand von einer Woche. Kosten pro Spritze: 130 Franken.
Schon früher liess sich Gertrud Dill mit Hyaluronsäure behandeln. Damals habe sie gute Erfahrungen gemacht. Doch nach der Spritze ins Knie bekam sie Probleme. «Ich konnte das Bein nicht mehr strecken», sagt sie. «Es fiel mir schwer, das Gelenk zu bewegen.»
Die Behandlung mit Hyaluronsäure ist seit langem umstritten (Gesundheitstipp 1/2018). Denn die Beschwerden bessern nach den Spritzen meist nur wenig und für kurze Zeit. Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen warnt vor Nebenwirkungen wie Schmerzen, Rötungen und Schwellungen im behandelten Gelenk. Der Zürcher Rheumaspezialist und Sportarzt Christoph Reich erklärt: «Sticht man mit einer Nadel in ein Gelenk, besteht immer ein minimales Risiko für eine Infektion.» Diese könne Entzündungen und Schmerzen im Gelenk hervorrufen.
Spritze kann schwere Nebenwirkungen haben
Jetzt zeigt eine neue Übersichtsstudie mit über 20 000 Teilnehmern im «British Medical Journal»: Hyaluronspritzen helfen wenig gegen Arthrosebeschwerden im Knie. Sie können die Schmerzen kaum lindern. Doch sie können schwere Nebenwirkungen zur Folge haben.
Der Winterthurer Facharzt für orthopädische Chirurgie Luzi Dubs bestätigt: «Es ist seit Jahren klar, dass die Behandlung mit Hyaluronsäure keinen wesentlichen Nutzen hat. Ich würde dafür keinen Franken ausgeben.» Auch die Fachzeitschrift «Infomed-Screen» schreibt, man könne von der Behandlung «nur abraten».
Der Rheumaspezialist Christoph Reich sagt, das beste Gegenmittel gegen Arthroseschmerzen sei regelmässige Bewegung. Studien zeigten, dass man damit die Belastbarkeit der Gelenke erhöhen und Schmerzen vermindern kann. Dank Sport wird der Knorpel mit mehr Nährstoffen versorgt. Und gut trainierte Muskeln verbessern den Bewegungsablauf der Gelenke.
Sich zu schonen, sei hingegen kontraproduktiv, sagt Christoph Reich: «Wichtig ist, das richtige Mass der körperlichen Bewegung zu finden.» Ein Marathon sei für Arthrosepatienten nicht geeignet, weil er die Gelenke stark belastet. Walking und kurzes Joggen seien aber sinnvoll. Reich empfiehlt, das Training langsam aufzubauen und herauszufinden, wie viel Belastung die Gelenke ertragen, ohne dass sie während des Trainings oder danach schmerzen.
Auch Gertrud Dill geht es dank Bewegung besser. «Während des schönen Sommers machte ich jeden Tag intensiv Aquafit», sagt sie. Zudem halfen ihr Physiotherapie und Spiraldynamik. Jetzt habe sie nur noch an wenigen Tagen Kniebeschwerden.
Die Praxis First räumt ein, die Behandlung mit Hyaluronsäure habe eine geringe Wirkung. Sie sei aus ihrer Erfahrung jedoch eine sichere Methode. Die Ärzte würden sorgfältig darauf achten, dass sie die Nadel korrekt platzieren. Nebenwirkungen habe man in den letzten Jahren nicht beobachtet.
TRB Chemedica SA in Vouvry VS, Herstellerin des Hyaluronsäureprodukts Ostenil, schreibt dem Gesundheitstipp, die Studie im «British Medical Journal» erwähne Nebenwirkungen, die in keinem Zusammenhang mit der Behandlung stünden. Die Firma IBSA in Montagnola TI sagt, die Verträglichkeit der Hyaluronsäure hänge von ihrer Qualität ab. Bei Studien mit dem IBSA-Produkt Sinovial hätten sich nicht mehr Nebenwirkungen gezeigt als mit einem Scheinmedikament.
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