Antidepressiva stehen seit langem in der Kritik, kaum gegen Depressionen zu nützen. Jetzt erhärtet sich der Verdacht, dass sie langfristig schaden. Das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie der englischen Universität Bristol. Die Forscher verglichen da-zu die Gesundheitsdaten von über 220'000 Leuten aus einer grossen medizinischen Datenbank in England. Sie verglichen zwei Gruppen: Die eine hatte nie, die andere fünf bis zehn Jahre lang Antidepressiva eingenommen.
Risiko, früher zu sterben, steigt markant
Die Resultate: Patienten, die Medikamente mit Wirkstoffen wie Citalopram (Seropram u.a.), Sertralin (Zoloft), Fluoxetin (Fluctine) oder Paroxetin (Deroxat) nahmen, hatten ein um über 40 Prozent erhöhtes Risiko für Herz- und KreislaufKrankheiten. Ihr Risiko, verfrüht zu sterben, stieg auf 41 Prozent gegenüber Leuten, die keine Antidepressiva nahmen.
Noch höher war das Risiko bei Medikamenten mit anderen Wirkstoffen – wie Mirtazapin (Remeron), Venlafaxin (Efexor), Duloxetin (Cymbalta) oder Trazodon (Trittico).
Wer die Medikamente länger als zehn Jahre nahm, erhöhte sein Risiko für einen Schlaganfall um einen Drittel. Auch das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen verfrühten Tod stieg nochmals deutlich.
Die Forscher raten Herz-Kreislauf-Patienten zu Vorsicht, wenn sie die Medikamente langfristig einnehmen. Studien weisen allerdings darauf hin, dass SSRI-Antidepressiva schon nach kurzfristiger Einnahme Nebenwirkungen wie Brustschmerzen auslösen können.
Der Wiler Arzt Etzel Gysling, Herausgeber des Fachblatts «Pharma-Kritik», rät Hausärzten, solche Medikamente «wenn möglich» nicht zu verschreiben. Sport, soziale Kontakte oder eine Psychotherapie würden bei leichten bis mittelschweren Depressionen besser helfen als Medikamente. Im Einzelfall könne man ein Antidepressivum auf begrenzte Zeit verschreiben.
Glaxo-Smith-Kline, Herstellerin von Deroxat, schreibt, es liege in der Verantwortung des Arztes, den Nutzen des Medikaments gegenüber den Nebenwirkungen abzuwägen. Ähnlich argumentiert Mirtazapin-Herstellerin Mepha Pharma.