Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Diclofenac sind nicht harmlos. Ärztin Stephanie Wolff aus Bülach ZH gibt zu bedenken: «Sie können Magenprobleme oder Nieren- und Leberschäden verursachen.» Bisher durften nur Apotheken diese Medikamente verkaufen. Seit Anfang Jahr erlaubt die Heilmittelbehörde Swissmedic den Verkauf auch in Drogerien. Das Gleiche gilt für über 500 andere Medikamente. Zum Beispiel für Durchfallmittel und pflanzliche Antidepressiva (siehe Tabelle im PDF). Diese Medikamente gehörten zur Kategorie C, die Swissmedic per Ende 2018 abgeschafft hat.
«Bei Johanniskraut ist Beratung wichtig»
Viele Ärzte sind mit der neuen Einteilung nicht einverstanden. Denn Swissmedic hat den Drogerien auch heikle Produkte zugeteilt. Zum Beispiel Mittel mit Johanniskraut oder Lavendelöl gegen Depressionen und Angstzustände. Bei diesen Produkten sei die Beratung beim Arzt oder in der Apotheke wichtig, sagt Gesundheitstipp-Ärztin Stephanie Wolff: «Denn es stellt sich die Frage, ob der Patient eine psychiatrische Behandlung braucht, oder ob er suizidgefährdet ist.» Zudem sei bei Johanniskraut die Gefahr von Wechselwirkungen mit Blutverdünnern und Herzmitteln gross. Das Personal der Drogerien habe nicht immer das nötige Fachwissen, um Patienten korrekt zu beraten.
Auch Etzel Gysling, Arzt und Herausgeber der Fachzeitschrift «Pharma-Kritik», ist nicht glücklich mit der Änderung. «Mir ist unklar, warum Durchfallmittel mit dem Wirkstoff Loperamid neu in Drogerien verkauft werden dürfen, aber solche mit Domperidol nicht.» Beide Mittel kön-nen laut Gysling gefährliche Herzrhythmusstörungen auslösen. Und der Maltofer-Sirup, ein Eisenpräparat, könnte Kinder verlocken, davon zu trinken. Eisenvergiftungen seien bei Kindern gefährlich.
Die Heilmittelbehörde Swissmedic rechnet damit, dass die Drogerien erst im Sommer ihr Sortiment mit den neuen Mitteln erweitern. Zur Kritik der Ärzte entgegnet Swissmedic, man habe die Medikamente aufgrund wissenschaftlicher Kritierien umgeteilt. So dürfen Drogerien keine Medikamente verkaufen, die eine schwere Krankheit überdecken und eine lebenswichtige Therapie verzögern könnten.
Drogistenverband wehrt sich
Der schweizerische Drogistenverband antwortet auf die Kritik der Ärzte, in einzelnen Kantonen dürften die Drogerien seit Jahrzehnten Arzneimittel der Kategorie C verkaufen, ohne dass dies die Kantonsapotheker beanstandet hätten. Zweifel an der Kompetenz der Drogistinnen und Drogisten seien deshalb unbegründet. Zudem kläre man jeweils ab, ob die Kunden weitere Arzneimittel einnehmen. Bei allfälligen Zweifeln verweise man einen Patienten an Apotheker oder Ärzte.