Ihre Mutter möchte nicht, dass Sie boxen. Warum tun Sie es trotzdem?
Wir haben ein enges Verhältnis. Doch ich bin ein sturer Kopf und lasse mir nichts verbieten. Sie zündet vor jedem Kampf eine Kerze für mich an und betet. Im Publikum sitzt sie aber nie.
Die Schläge können dem Gehirn schaden und Parkinson auslösen. Warum tun Sie sich das an?
Boxen ist meine Leidenschaft – und schafft eben auch Leiden. Ich nehme das in Kauf und bin bereit, die Konsequenzen zu tragen. Das muss jeder mit sich selber ausmachen.
Hat sich das Boxen bereits auf Ihren Körper ausgewirkt?
Ich wurde noch nie schwer verletzt. Aber nach einem Kampf bin ich körperlich und geistig langsamer.
Macht Ihnen das Angst?
Nein. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Aber dieser Sport ist sehr gefährlich. Das darf man nicht unterschätzen. Die Kunst ist zu schlagen, ohne getroffen zu werden. Ich bin ja keine Kneipenprüglerin.
Was tun Sie, um das Risiko zu verringern?
Ich steige nur etwa zwei Mal im Jahr in den Ring. Davor mache ich zwei Wochen lang Sparring – so heisst es, wenn man im Training gegen jemanden kämpft. Es ist wichtig, das nicht unnötig oft zu machen. In der restlichen Zeit kriege ich keine Schläge ab, sondern schlage zum Beispiel gegen einen Boxsack.
Geben Sie sich auch Zeit zum Erholen?
Ich mache nach jedem Kampf zwei Wochen Pause. In dieser Zeit setze ich keinen Fuss in den Boxclub. Man darf den Körper nicht nur fordern, sondern muss ihm auch etwas zurückgeben. Sonst verletzt man sich vor lauter Müdigkeit.
Wenn Sie ein Kind hätten, würden Sie es boxen lassen?
Auf keinen Fall. Ich empfehle das Boxen niemandem. Es ist einfach nicht gesund, Schläge auf den Kopf zu kriegen.
Dennoch geben Sie Boxkurse für Kinder.
Nein, ich gebe Kurse im Fitnessboxen. Dabei kämpft man nie gegen andere. Man haut nur gegen den Boxsack. Das ist gut für Fitness, Koordination und Kraft.
Wie ernähren Sie sich?
Ich esse viel Eiweiss wie Poulet oder Fisch und viel Gemüse. Aber auch fast jeden Tag Schokolade.
Sie litten lange unter Bulimie und Magersucht. Ist das noch ein Thema?
Meine Essstörungen begannen mit 12 Jahren. Zwischendurch lebte ich sogar in einer Klinik. Heute habe ich die Krankheit im Griff. Das Boxen hat mir dabei geholfen.
Wie das?
Als ich zu boxen begann, hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Ziel vor Augen: Ich wollte gewinnen. Doch ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht mehrmals am Tag erbrechen und gleichzeitig trainieren kann. Ich musste mich für das eine oder für das andere entscheiden.
Zur Person: Aniya Seki
Die 39-Jährige ist mehrfache Schweizermeisterin und Weltmeisterin im Boxen bei verschiedenen Boxverbänden. Die Tochter einer Schweizerin und eines Japaners lebt in Bern. Am 14. Juli kämpft sie in Deutschland um den Weltmeistertitel beim World Boxing Council (WBC), einem der wichtigsten Boxverbände.