Jedes Jahr ereignen sich Unfälle mit Kutschen und Schlitten. Ist das Risiko nicht zu gross?
Nein. Aber Kutscher tragen eine grosse Verantwortung gegenüber den Fahrgästen, den Verkehrsteilnehmern und den Pferden.
Wie halten Sie Ihre Pferde unter Kontrolle?
Ich kenne sie gut, es sind meine eigenen Tiere. Wenn ich sehe, dass sie unsicher werden, halte ich an.
Haben die Pferde Angst vor den Autos auf der Strasse?
Nein, aber grosse Fahrzeuge können sie aus der Ruhe bringen. Schneefräsen zum Beispiel oder Lastwagen mit Schneeketten.
Haben Sie einen sechsten Sinn entwickelt?
Man muss das Gefühl haben für solche Situationen, schnell reagieren und ruhig bleiben. Es sind auch nicht alle Pferde zum Schlittenfahren geeignet. Ich brauche charakterstarke und ruhige Tiere dafür.
Was ist, wenn die Pferde trotz aller Vorsicht durchgehen?
Unter Kutschern sagen wir: Beim ersten Sprung musst du sie haben. Das heisst, wenn sie erschrecken und durchgehen wollen, muss ich die Zügel verkürzen und sie halten. Dann kann ich das Durchgehen noch verhindern.
Und wenn man den Moment verpasst?
Dann wird es gefährlich. Geht ein Pferd durch, macht das andere meist mit. Führt die Strasse bergauf, hat man Glück: Die Pferde werden müde und man kann sie schnell beruhigen. Gehts bergab, versuche ich das Gespann in eine Einfahrt zu lenken – weg vom Verkehr!
Kommen Sie überhaupt dazu, mit den Fahrgästen zu sprechen?
In Davos selbst muss ich voll konzentriert sein. Aber in den Seitentälern kann ich auch mal nach hinten schauen und mit den Gästen sprechen.
Sie sind stundenlang draussen, bei bis zu minus 20 Grad. Wie halten Sie sich warm auf dem Kutschbock?
Ich trage echte Moonboots, die halten immer warm. Und unter meiner Bank habe ich stets trockene Socken und Handschuhe zum Wechseln. Ansonsten: Ich trage drei bis vier Schichten übereinander, das genügt. Die Kleider werden ja immer besser.
Und was ist mit den Pferden?
Die Kälte macht ihnen nichts aus. Bis minus 15 Grad stellen sie nicht einmal den Stoffwechsel um. Aber nach ein paar Stunden Arbeit haben sie genug. Ich habe vier Pferde, die den Schlitten ziehen können. Im Lauf des Tages wechsle ich sie aus.
Was machen Sie bei schlechtem Wetter?
Da fahren wir auch. Die Tiere mögen nur starken Wind nicht. Wenn es schneit, habe ich am meisten zu tun. Komme ich am Abend heim, versorge ich erst die Pferde und dann ist noch der ganze Schlitten voller Schnee. Statt an die Wärme zu gehen, muss ich den Schnee rausschaufeln und den Schlitten putzen.
Wie weit fahren Sie an einem Tag?
Das kommt darauf an, wie oft wir gebucht werden. In der Hochsaison können es 30 bis 50 Kilometer sein. Am Anfang der Saison fällt es den Pferden noch ein bisschen schwer. Dann gewöhnen sie sich daran. Bis Weihnachten haben sie eine gute Kondition.
Zur Person: Andrea Zellweger
Die 46-Jährige fährt seit 27 Jahren Kutsche und Schlitten in Davos GR. Zellweger ist zudem Geschäftsleiterin des Restaurants Teufi im Davoser Dischmatal. Sie liebt die Arbeit mit den Pferden, auch wenn es gerade im Winter anstrengend sein kann.