Bei der Geburt meiner jüngsten Tochter platzte in der Gebärmutter eine Arterie – ich verlor viel Blut. Während die Ärzte um mein Leben kämpften, schwebte ich über meinem Körper. Ich war irgendwo zwischen Leben und Tod. Dann hatte ich das Gefühl, gleichzeitig vorwärts und rückwärts zu fliegen. Ich sah ein helles Licht und bewegte mich darauf zu. Dort, am Eingang des Lichts, begegnete ich meinem Grossvater. Er sah jünger aus, als ich ihn zur Zeit seines Todes in Erinnerung hatte. Wir redeten miteinander. Aber nicht mit Worten. Es war, als ob wir Gedanken austauschten. Ich bemerkte auch andere Leute, die ich nicht kannte. Von allen ging eine grosse Ruhe aus, und ich fühlte mich von ihnen mit Liebe aufgenommen. Mir war angenehm warm. Nie zuvor hatte ich mich so wohl gefühlt. Und dann sah ich ein furchtbares Bild: Eine tote junge Frau, die fast nackt auf Zeitungen liegt.
Später sagte mir mein Frauenarzt, er habe mich von weit her zurückgeholt. Die Rückkehr ins Leben war hart. Der Eindruck überwältigender Liebe war mir geblieben und so stark, dass ich es nicht mehr ertrug, wenn Menschen um mich herum stritten und feindselig waren. Ich zweifelte an allem in meinem Leben. Ich war nun sensibler gegenüber anderen Menschen und mir selber. Ich wollte zurück an den Ort, wo ich mich so wohlgefühlt hatte. Dorthin, wo das Licht war und die Liebe.
Zudem verfolgte mich ständig das furchtbare Bild aus meinem Erlebnis. Ich wusste nicht, wer diese tote Frau war. Aber diese Vision verstärkte meine Angst um meine drei Kinder. Darunter litt ich entsetzlich. Als sie ins Teenageralter kamen und sich abnabeln wollten, schalteten sie manchmal ihre Handys aus. Wenn ich sie nicht erreichen konnte, wurde ich fast verrückt vor Angst. Schweissausbrüche, Herzrasen und Panikattacken wurden immer schlimmer. Ich geriet an den Rand des Suizids.
Mit Hilfe einer Therapie aus der Alternativmedizin gelang es mir einigermassen, den Alltag zu bewältigen. Ich dachte lange Zeit, dass das Erlebnis im Gebärsaal ein Traum gewesen sei. Dann erzählte mir mein Mann von einem Buch über Nahtod-Erfahrungen. Ich erkannte, dass ich genau das erlebt hatte, und brach in Tränen aus. Endlich hatte ich einen Namen für meinen «Traum». Von dem Moment an ging es mir jeden Tag besser. Heute habe ich mein damaliges Erlebnis verarbeitet.
Nahtod-Erlebnis
In lebensbedrohlichen Situationen kann es zu Nahtod-Erlebnissen kommen. Oft passiert das während Operationen, wenn Patienten viel Blut verlieren. Etwa ein Fünftel dieser Patienten berichtet von einem solchen Erlebnis. Wissenschaftlich lässt sich das Phänomen nicht erklären. Manche Forscher sehen es als Beweis, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt. Wer ein Nahtod-Erlebnis hatte, ist häufig völlig erschüttert. Denn die Eindrücke sind derart intensiv, real und vielleicht trotzdem so unwirklich, dass diese Menschen nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Zurzeit versuchen Forscher der Universität Bern, dem Phänomen auf den Grund zu gehen.
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