Kürzlich warnte der Schweizer Alpen-Club (SAC): Jeder zweite Wanderer, der 2021 tödlich verunfallte, sei allein unterwegs gewesen. Und der Verband Schweizer Wanderwege hält auf seiner Website ausdrücklich fest: «Unternehmen Sie Bergwanderungen nicht allein.» Auch Sabine Walter aus Aarau wagte das früher nicht. Doch dann verletzte sich ihr Mann am Fuss und fiel längere Zeit aus. «Ich stand also vor der Wahl, ebenfalls zu pausieren oder es doch allein zu versuchen.»
Die Aarauerin unternahm als Test eine kurze Solowanderung – und lernte das Alleinsein schnell schätzen: «Ich konnte gehen, wohin und wie schnell ich wollte.» Und sie hatte viel Zeit zum Nachdenken und Fotografieren.
Man sollte trittsicher und schwindelfrei sein
Fachleute wie Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein bestätigen das: «Gut vorbereitet ist es völlig in Ordnung, allein wandern zu gehen.» Das zeige auch die Unfallstatistik, die der Alpenverein seit den 50er-Jahren führt. Daraus geht hervor: Durchschnittlich gerät man selbst bei täglichem Wandern erst nach 228 Jahren zum ersten Mal in Not – ob allein oder in der Gruppe. «Man steht also nicht automatisch mit einem Fuss im Grab, wenn man in die Berge geht», sagt der erfahrene Berggänger.
Ein paar Dinge sollte man aber beachten: Solowanderer sollten in den Bergen möglichst trittsicher und schwindelfrei sein, eine gute Kondition haben und die Gefahren im Gebirge kennen. Thomas Bucher rät zudem: «Gehen Sie als Alleinwanderer nicht an Ihre Leistungsgrenze.» Besser ist es, man sucht eine Tour aus, der man von der Technik und der Ausdauer her gut gewachsen ist. Wer unsicher ist, wählt eine Strecke der Schwierigkeit T2 oder T3. Diese Wege sind auch weiss-rot-weiss markiert (siehe Tabelle im PDF). Dort braucht es keine Hilfsmittel. Hütten und Einkehrmöglichkeiten entlang der Strecke geben zusätzliche Sicherheit. «Sollte einem etwas passieren, kommt relativ schnell jemand vorbei.»
Bucher rät generell: «Man sollte vorher wissen, was für eine Strecke vor einem liegt.» Dazu gehört, dass man den Wegverlauf auf einer Karte nachvollzieht und heikle Stellen ausmacht. Die Karte speichert Bucher in einer App auf dem Handy. Dort lässt sie sich auch ohne Handy-Empfang abrufen. «Das GPS-Signal funktioniert ohne Empfang bis auf zehn Meter genau.» Sicherer als das Handy ist eine ausgedruckte Karte. Besonders geeignet ist der Massstab 1:25 000, bei dem man Anstiege und Gefälle gut erkennt.
Andere über die geplante Strecke informieren
Wanderexperte Thomas Widmer rät auch, lieber umzukehren, wenn man merke, dass man von einer Strecke überfordert sei. Auch sei es wichtig, andere Personen über den Streckenverlauf zu informieren. «Man kann abmachen, dass man sich alle zwei Stunden oder nach der Tour meldet.» Tut man das nicht und ist länger nicht via Handy erreichbar, sollte die Kontaktperson den Notruf verständigen.
Der Rucksack sollte möglichst leicht sein. Bucher: «Je schwerer er ist, desto langsamer geht man.» Dann sei die Gefahr grösser, dass man in eine heikle Situation wie ein Gewitter oder die Abenddämmerung gerät.
In den Rucksack gehören ein Erste-Hilfe-Set mit Blasenpflastern und Desinfektionsspray, dazu Proviant, ein T-Shirt zum Wechseln, eine warme Fleecejacke, eine Regenjacke sowie Sonnenschutz. Auf härteren Touren der Schwierigkeitsstufe T4 in abgelegenen Gebieten lohnt sich zudem ein Biwacksack. Thomas Bucher: «Er kann lebensrettend sein, wenn man sich verletzt oder in ein Unwetter kommt.» Die wasser- und winddichte Hülle wiegt nur ein paar Hundert Gramm und lässt sich gut verstauen.
Ist man doch einmal verletzt oder zu erschöpft, wählt man den Notruf 112, die Rega-Nummer 1414 oder aktiviert direkt in der Rega-App den Alarm. Hat man keinen Empfang, etwa in einer Schlucht, sollte man versuchen, zu einer höher gelegenen Stelle aufzusteigen. Auf einem Bergrücken oder in Sichtweite zu einer Ortschaft hat man meist wieder ein Signal.
Wer ganz sicher sein will oder häufiger abgelegene Touren macht, nimmt ein Satellitentelefon mit. Diese Geräte gibt es bereits für wenige Hundert Franken in Fachgeschäften zu kaufen. Anders als Smartphones funktionieren sie auch ohne Handyempfang.
Ist das Mobiltelefon kaputt oder der Akku leer, macht man mit Geräuschen oder Licht auf sich aufmerksam. Bucher sagt: «Liegt man an einem versteckten Ort, macht man alle zehn Sekunden ein Geräusch.» Dazu könne man rufen, mit einem Stock gegen einen Baum oder zwei Steine gegeneinanderschlagen. Im Dunkeln lässt sich mit einer Lampe ein Lichtsignal senden. Man schaltet die Lampe alle zehn Sekunden kurz an und wieder aus. «Und zwar am besten in Richtung Tal oder der nächsten Ortschaft», sagt Bucher.
Auch Sabine Walter beherzigt diese Tipps. «Inzwischen ist es für mich ganz normal, allein wandern zu gehen.» Und obwohl ihr Mann wieder völlig gesund ist, gehen sie manchmal doch getrennt auf Wanderschaft. «Mein Mann mag lieber sportlichere Touren.» So komme jeder auf seine Kosten.