Pro Nacht schlafe ich nur vier Stunden. Immer um drei Uhr nachts wache ich auf. Es kommt mir so vor, als müsste ich dann kontrollieren, ob ich noch lebe. Ich bleibe einfach im Bett und warte, bis es hell wird. Das geht jetzt schon eineinhalb Jahre so. Damals blieb mein Herz stehen. Es war bereits das elfte Mal. Aber dieses Mal dauerte es länger als sonst. Ich war 30 Sekunden klinisch tot: Ich atmete nicht mehr, mein Blutkreislauf stoppte. Ich überlebte nur, weil der Rettungswagen rasch kam. Im Herz hatte ich ein Implantat, das Alarm schlug. Ich hatte es nach den ersten Herzstillständen bekommen.
Seit diesen 30 Sekunden ist alles anders. Alles, was mich früher entspannt hatte, stresst mich heute. Ich kann keine Musik mehr hören, sie macht mich schon nach kurzer Zeit nervös. Dabei lief bei mir früher immer das Radio. Ich kann auch nichts mehr lesen, weil ich mich nicht lange konzentrieren kann. Meine Puzzles habe ich alle ins Brocki gegeben. Schon nach dem Zusammensetzen von wenigen Teilen wurde ich ganz kribbelig. Ich habe jetzt einen Herzschrittmacher. Manchmal denke ich, dass ich ihn nicht vertrage und deshalb so unruhig bin.
Zwar nehme ich täglich Tabletten gegen die Unruhe und auch zum Schlafen. Aber sie helfen nicht.
Die Tage sind lang, wenn man nur so wenig schläft. Morgens stehe ich auf und überlege, was ich den ganzen Tag machen soll. Manchmal würde ich am liebsten im Bett bleiben, weil ich keine Energie habe. Aber ich gehe jeden Tag raus an die frische Luft, dazu zwinge ich mich. Meistens gehe ich dann spazieren oder in die Stadt. Grosse Wanderungen schaffe ich aber nicht mehr. Alles, was ich mache, kostet Überwindung.
Einmal pro Woche gehe ich in eine Traumatherapie. Die Gespräche tun mir gut. Ich weiss, dass mein Körper etwas Schlimmes durchgemacht hat. Ich war weg, und jetzt bin ich wieder da. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert, bis ich mich psychisch erholt habe. Angst vor dem Tod habe ich nicht. Der ist vorbestimmt, und für mich wars noch nicht Zeit.
Ferien sind mir wichtig. In Ägypten fühlte ich mich immer wohl. Das ist wie meine zweite Heimat. Das will ich unbedingt wieder schaffen. Ich muss aber jemanden finden, der mitkommt.
Kurz vor meinem letzten Herzstillstand hat mich mein Mann verlassen. Das hat mich schwer getroffen. Er zog aus, und ich war plötzlich alleine – nach 47 Jahren Ehe. Ich fühle mich oft einsam. Ich hätte gerne jemanden an meiner Seite – auch weil es mir gesundheitlich nicht gut geht.
Jetzt gehe ich für drei Wochen in eine Schlafklinik. Ich hoffe, dass ich dann endlich wieder schlafen kann. Ich glaube, wenn ich zur Ruhe komme, komme ich wieder im Leben an.
Beim Herzstillstand zählt jede Minute
Brustschmerzen, Atemnot oder Schwindel: Jeder zweite Patient hat kurz vor dem Herzstillstand solche Warnsignale. Dann schlägt das Herz zuerst unregelmässig, bis es ganz stehen bleibt. Die Betroffenen werden bewusstlos und haben keinen fühlbaren Puls mehr.
Wer eine solche Situation beobachtet, sollte sofort den Notruf 144 alarmieren und mit Herzmassage beginnen. Dabei drückt man mit beiden Händen 100 Mal pro Minute kräftig auf den Brustkorb. Auch ein Defibrillator hilft: Das Gerät gibt Elektroschocks ab, die das Herz dazu bringen können, wieder normal zu schlagen.
Wer überlebt, kämpft oft mit psychischen Problemen: Eine österreichische Studie zeigte 2016, dass viele gerettete Patienten an Ängsten und Depressionen leiden.
Infos: www.swissheart.ch