Als Manuela Höllinger aus Wettingen AG vor drei Jahren mit Joggen und gesunder Ernährung abnehmen wollte, purzelten die Kilos rasch. Doch dann blieb der Zeiger bei 67 Kilogramm stehen, bei einer Körpergrösse von 1,60 Meter. Als das Gewicht stagnierte, schwand ihre Motivation. «Die Apothekerin verkaufte mir zwei Produkte von Biomed», erinnert sich Höllinger. Appecal nahm sie gegen Hungerattacken. Und Liposinol, weil es Fett im Magen binden soll, so dass der Körper es nicht aufnimmt. Für die beiden Produkte zahlte sie fast hundert Franken. Ihr Fazit: «Gewirkt haben sie höchstens psychisch.»
Manuela Höllinger ist kein Einzelfall. Beim Abnehmen greifen viele zu Pillen und Pülverchen. Zahlreiche Medikamente und Produkte versprechen schnelle Erfolge (siehe Tabelle). Die meisten verhindern angeblich die Aufnahme von Fett, Kohlenhydraten oder beidem. Sie binden diese Nährstoffe im Magen und machen, dass man sie unverdaut wieder ausscheidet.
Fachleute sehen solche Produkte kritisch. Der Präventivmediziner David Fäh von der Berner Fachhochschule sagt: «Meiner Erfahrung nach sind die Resultate sehr bescheiden. Wenn überhaupt, dann können Medikamente und andere Produkte nur den Start ins Abnehmen erleichtern.» Auch der Wiler Hausarzt und Pharmafachmann Etzel Gysling sagt: «Ich würde sie niemandem empfehlen, auch weil sie zu teuer sind.» Bei Produkten wie Xenical, die Fett binden, sieht Fäh allenfalls einen «didaktischen Effekt»: Wer zu fettig isst, wird mit öligem Durchfall bestraft.
Der Markt für solche Abnehmprodukte ist in den letzten Jahren eingebrochen. Alli, halb so stark dosiert wie Xenical, wird in der Schweiz nicht mehr ausgeliefert. Im Gegensatz zu Xenical und Alli sind die anderen in der Tabelle aufgeführten Mittel keine Medikamente, sondern Medizinalprodukte. Das bedeutet: Die Hersteller müssen nicht belegen, dass diese Produkte wirken, bevor sie sie verkaufen dürfen. Etzel Gysling sagt: «Es gibt für keines dieser Mittel überzeugende Wirkungsnachweise.» Man könne lediglich vermuten, dass sie helfen könnten, das Gewicht zu senken.
Pflanzliche Mittel können Appetit dämpfen
Einige Hersteller bieten Produkte aus pflanzlichen Wirkstoffen an. Heilpflanzenexperte Martin Koradi aus Winterthur ZH sagt: «Mir sind keine pflanzlichen Mittel bekannt, mit denen man nachweislich abnimmt.» Einige Mittel enthalten Artischocken. Koradi: «Die Artischocke gilt als verdauungsfördernd und wirkt gegen das Völlegefühl.» Mit Abnehmen habe das nichts zu tun. Hingegen gebe es Hinweise, dass sich mit bitteren Pflanzen wie Schafgarbe oder Grapefruits der Appetit zügeln lasse. Man sollte sie nicht vor, sondern mit der Hauptmahlzeit einnehmen. Den Appetit dämpfen könnten auch Flohsamenschalen, weil sie im Magen aufquellen. «Solche Mittel kann man gut einmal ausprobieren», sagt Koradi.
«Beim Essen sollte man nichts trinken»
Für die Ärztin und Homöopathin Stephanie Wolff aus Bülach ZH ist klar: «Man sollte herausfinden, warum man Probleme mit dem Gewicht hat. Das ist besser, als teure Produkte zu kaufen.» Oft komme das Übergewicht schleichend: Mit steigendem Alter sinkt der Energiebedarf. Passt man die Essensmenge nicht an, isst man stets zu viel und nimmt langsam, aber sicher zu.
Statt Pillen empfiehlt Wolff einige Tricks. Zum Beispiel dämpfen ein Salat oder ein grosses Glas Wasser vor dem Essen den Appetit. «Beim Essen sollte man dann nichts trinken», sagt sie. «So muss man länger kauen.» Langsam essen hilft, weil sich das Sättigungsgefühl frühestens nach 20 Minuten einstellt.
Gesundes Essen und Sport bringen Erfolg
Entscheidend für den Erfolg ist, dass man sich dauerhaft gesund ernährt und regelmässig bewegt. Diese Erfahrung machte auch Manuela Höllinger. Sie ass wieder diszipliniert, machte mehr Sport – und verlor nochmals fast zehn Kilo. «Abgenommen habe ich definitiv nicht dank der Pillen, sondern dank Sport und gesunder Ernährung», sagt Höllinger.
Die Hersteller verweisen auf den Erfolg ihrer Produkte. Xenical-Herstellerin Roche schreibt, die Nebenwirkungen seien transparent ausgewiesen. Galenica, Herstellerin der Produkte Formoline L112 und Protiline Lipo & Carbo 2in1, schreibt, die Produkte seien, zusammen mit kalorienbewusster Ernährung und körperlicher Bewegung, «wirksame Hilfsmittel zur Gewichtskontrolle».
Biomed stellt die Produkte Appecal, Liposinol, Carbosinol und Reduforte her. «Sie sollen den Start ins Abnehmen und das Halten des Gewichts erleichtern», schreibt Biomed dem Gesundheitstipp. Nebenwirkungen gebe es selten. Die Firma Geo-Farm, welche die Apfelessigkapseln «Golden Cider» vertreibt, hält fest: «In rund 30 Jahren haben wir nur von drei Nebenwirkungsfällen erfahren.» Interdelta SA, Herstellerin von XL-S-Medical-Produkten, erwähnt ein dreimonatiges Begleitprogramm, an dem Testpersonen teilgenommen hätten. Mit ausgewogener Ernährung, Bewegung und dem Produkt hätten diese «erfolgreich ihr Wunschgewicht erreicht».
Tipp: Riskante Pillen aus dem Internet
Reductil und Acomplia sind in der Schweiz nicht mehr zugelassen. Produkte mit verbotenen Stoffen gibts aber per Internet – etwa das chinesische Zhen de Shou, das den Reductil-Wirkstoff enthält. Es hat jedoch starke Nebenwirkungen. Experten warnen vor dem Kauf.