Wie fühlen Sie sich nach einem Arbeitstag?
Vor allem im Kopf bin ich jeweils erschöpft.
Warum?
Die Uhrteile, mit denen ich arbeite, sind sehr filigran. Da muss ich mich konzentrieren – und das über Stunden.
Ihre Körperhaltung sieht nicht gerade entspannt aus.
Ich sitze an einer extrahohen Arbeitsplatte, die sich fast auf Kopfhöhe befindet. So sind die Augen nah an der Uhr. Dadurch muss ich aber die Arme hochheben. Die Unterarme legt man auf Brettern oder Polstern auf der Tischkante ab, damit die Hände ruhig arbeiten können.
Klingt ziemlich unbequem…
Wenn ich lange am Stück arbeite und dabei den Kopf etwas schief halten muss, dann verspannen sich die Schultern schon. Ich versuche, die Muskeln zwischendurch wieder zu lockern, zum Beispiel, indem ich die Schultern kreisen lasse.
Und wie geht es Ihren Augen?
Nach ein paar Stunden sind die Augen müde. Ich schaue nur mit dem rechten Auge, in das ich eine Lupe klemme. Aus Reflex kneift man dabei das andere Auge zusammen. Das ist auf Dauer anstrengend. Deshalb halte ich das linke Auge bewusst offen und schaue damit sozusagen «ins Leere».
Haben Sie eine Brille?
Noch nicht, aber viele meiner älteren Berufskollegen tragen eine.
Wie schaffen Sie es, dass Ihre Hände nicht zittern?
Zum Glück fällt mir das schon seit meiner Kindheit leicht. Da habe ich zum Beispiel gerne «Jenga» gespielt. Das ist ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem man vorsichtig Holzklötzchen stapelt. Aber manchmal zittern auch meine Hände ein wenig. Dann muss ich meine Pläne ändern und eher gröbere Arbeiten machen.
Treiben Sie einen bestimmten Sport, um fit für den Job zu sein?
In meiner Freizeit bewege ich mich viel. Das brauche ich als Ausgleich. Dann gehe ich zu Fuss, statt das Tram zu nehmen, und führe den Hund spazieren. Oder ich spanne ein Seil zwischen zwei Bäumen und balanciere darauf – das stärkt die Muskeln im Bauch und im Rücken.
Sind alte Uhren schwieriger zu bearbeiten?
Ja, man darf sich keine Fehler erlauben, denn es gibt keine Ersatzteile mehr. Ich arbeite besonders gerne mit antiken Taschenuhren.
Warum?
Jede Uhr erzählt eine Geschichte. Manchmal sind es Erbstücke von den Grosseltern. Ich habe grossen Respekt, wenn ich daran denke, dass die Uhren teilweise 200 Jahre alt sind. Sie wurden ohne elektrisches Licht, nur bei Kerzenschein zusammengebaut – und ich nehme sie nun wieder auseinander.
Was war die teuerste Uhr, die Sie je in den Händen hatten?
Das ist schwer zu sagen. Manche alte Uhren, die es nur noch ein Mal auf der Welt gibt, sind unbezahlbar.
Zur Person: Claudio Bucher
Claudio Bucher lebt mit Partnerin und Hund in Sulgen TG. Nach einer Lehre als Möbelschreiner lernte er das Uhrmacher-Handwerk. In diesem Beruf ist er inzwischen 15 Jahre tätig.