Für die zweifache Mutter Andrea Bucher aus Speicher AR steht fest: Sie würde keine Antibaby-Pille schlucken. «Ich möchte nicht in die körperlichen Abläufe eingreifen», sagt sie. Deshalb verhütet sie natürlich. Sobald die 29-Jährige morgens die Augen aufschlägt, greift sie zum Thermometer und notiert dann ihre Körpertemperatur. Zudem beobachtet Andrea Bucher täglich, wie ihr Scheidenschleim beschaffen ist. Daran, wie sich beides im Laufe des Zyklus verändert, erkennt sie ihre fruchtbaren Tage.
Viele Frauen suchen wie Andrea Bucher Alternativen zur Pille. Denn künstliche Hormone sind nicht harmlos. Sie erhöhen zum Beispiel das Risiko für Blutgerinnsel und Brustkrebs.
Ausserdem können sie die Lust verringern. Fachfrauen sind überzeugt: Natürliches Verhüten ist nicht nur viel gesünder als künstliche Hormone. Es schützt auch sicher vor Schwangerschaften.
«Ärzte kennen sich oft zu wenig aus»
Dies belegt nun eine grosse Studie. Der Arzt Günter Freundl und sein Team der Universität Düsseldorf (D) beobachteten 20 Jahre lang 900 Frauen, die natürlich verhüteten. So kamen die Daten von über 8000 Zyklen zusammen. Resultat: Im Durchschnitt wurden innert eines Jahres von 100 Anwenderinnen 0,6 Frauen ungewollt schwanger, weil die Methode versagte. Mit der Pille waren es 0,1 bis 0,9. Natürliches Verhüten ist somit ebenso sicher wie die Pille.
Dennoch runzeln viele Frauenärztinnen und -ärzte die Stirn, wenn eine Frau sagt, sie wolle natürlich verhüten. Dies berichtet Kati Gabathuler vom Institut für natürliche Empfängnisregelung in Rorschach SG. Die freiwilligen Beraterinnen des Instituts sind in der ganzen Schweiz aktiv und stellen fest, so Gabathuler: «Frauenärzte kennen sich oft zu wenig aus mit der Methode – und halten sie deswegen für unzuverlässig.»
Diaphragma und Kondom an fruchtbaren Tagen
Frauen sollten sich aber nicht verunsichern lassen. Wichtig ist: Sie müssen ihren Körper genau beobachten. Neben der Aufwachtemperatur und dem Scheidenschleim können Frauen auch die Festigkeit des Muttermundes prüfen.
Yvonne Studer ist Fachfrau für Verhütungsfragen beim unabhängigen Beratungstelefon Appella in Zürich. Sie sagt: «Ist ein Körpersignal nicht eindeutig, helfen die anderen Symptome, um festzustellen, ob man gerade fruchtbar ist oder nicht.»
Ist die Frau fruchtbar, muss das Paar sich entsprechend verhalten. Yvonne Studer sagt: «Paare dürfen es während der fruchtbaren Zeit nicht ohne weitere Massnahmen darauf ankommen lassen – und dann hoffen, dass die Frau nicht schwanger wird.»
Beraterinnen des Instituts für natürliche Empfängnisregelung raten, während der fruchtbaren Zeit abstinent zu sein – dies sei am sichersten. Appella-Fachfrau Studer empfiehlt Kondome und Diaphragma, am besten beides zusammen. Sie hat in Beratungen oft erlebt, dass Paaren die Abstinenz schwerfällt: «Viele Frauen haben während der fruchtbaren Phase besonders viel Lust – und sollten sie ausleben.»
Zwar erfordert es Disziplin, die Temperatur täglich zu messen und den Körper genau zu beobachten. Die meisten Frauen empfinden das jedoch nicht als lästig. Yvonne Studer sagt: «Frauen finden die Vorgänge spannend und bekommen einen besseren Kontakt zu ihrem Köper.»
Babywunsch: Fruchtbare Tage gezielt nutzen
Frauenärztin Lilian Saemann aus Binningen BL hört von vielen Patientinnen, dass ihr Liebesleben schöner sei, nachdem sie die Hormone abgesetzt hatten: «Die Lust der Frauen ist gesteigert und die Freude am Sex grösser.» Kommt hinzu: Das Paar muss besprechen, ob es ungeschützt miteinander schlafen darf oder nicht. Lilian Saemann: «Auch solche Gespräche machen die Sexualität interessanter.»
Das Schöne: Frauen, die sich mit ihrem Zyklus auskennen, können ihr Wissen auch umgekehrt einsetzen – um schwanger zu werden. Andrea Bucher erinnert sich: «Als wir uns ein zweites Kind wünschten, nutzten wir gezielt meine fruchtbaren Tage.» Schon nach dem dritten Zyklus kündigte sich Baby Aurelia an.
Tipps: Natürlich verhüten – So steigen Sie um
- Sprechen Sie mit Ihrem Partner. Die natürliche Verhütung erfordert von beiden Partnern Konsequenz.
- Sie können die natürliche Verhütung aus Büchern, in Kursen oder bei geschulten Beraterinnen lernen. Fragen Sie nach der sympto-thermalen Methode.
- Die Methode eignet sich auch bei unregelmässigen Zyklen, in der Stillzeit und während der Wechseljahre.
- Verhütungscomputer helfen zwar beim Auswerten, erhöhen die Sicherheit jedoch nicht.
Beratung, Kurse und Infos
Bücher
- Josef Rötzer: «Natürliche Empfängnisregelung», Herder, ca. Fr. 25.–
- Arbeitsgruppe NFP: «Natürlich und sicher», Trias, ca. Fr. 24.–
Das Merkblatt «20 Verhütungsmethoden im Vergleich» können Sie hier kostenlos herunterladen