Sessellifte: Vor allem für Kinder oft gefährlich
Experten begutachteten für den Gesundheitstipp die Sicherheit von je acht Sessel- und Schleppliften. Das Resultat ist beunruhigend.
Inhalt
Gesundheitstipp 01/2011
15.01.2011
Letzte Aktualisierung:
18.01.2011
Christian Egg, Gabriela Braun, Andreas Gossweiler
Skigebiet Alt St. Johann im Toggenburg, 24. Februar 2010: Vier Kinder einer Skischule besteigen den Sessellift zur Alp Sellamatt. Das jüngste, ein sechsjähriges Mädchen, schafft es nicht, richtig auf dem Sessel Platz zu nehmen.
Die drei anderen Kinder versuchen es festzuhalten, doch nach dem fünften Mast haben sie keine Kraft mehr. Das Mädchen stürzt 14 Meter tief in einen Wald. Wie durch ein Wunder bleibt das Kind praktisch unverletzt.
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Skigebiet Alt St. Johann im Toggenburg, 24. Februar 2010: Vier Kinder einer Skischule besteigen den Sessellift zur Alp Sellamatt. Das jüngste, ein sechsjähriges Mädchen, schafft es nicht, richtig auf dem Sessel Platz zu nehmen.
Die drei anderen Kinder versuchen es festzuhalten, doch nach dem fünften Mast haben sie keine Kraft mehr. Das Mädchen stürzt 14 Meter tief in einen Wald. Wie durch ein Wunder bleibt das Kind praktisch unverletzt.
Andere Opfer haben weniger Glück: Laut der Suva verletzen sich jedes Jahr rund 750 Personen an Ski- oder Sesselliften. Jetzt zeigt eine Stichprobe des Gesundheitstipp: Viele Lifte haben Sicherheitsmängel.
Experten der Beratungsstelle für Unfallverhütung BfU begutachteten 16 Sessel- und Schlepplifte in acht Schweizer Skigebieten. Das Resultat ist ernüchternd: Nur fünf Lifte erreichten die Note «gut». Weitere fünf schnitten «genügend» ab, sechs waren «ungenügend» (siehe Tabelle im pdf-Artikel).
Bei sieben von acht Sesselliften war der Sicherheitsbügel nicht kindersicher. So können Kinder unter dem Bügel durchrutschen und abstürzen. Nur gerade beim Curnius-Lift in Laax fanden sich U-förmige Streben am Bügel zwischen den Knien.
Doch zwischen Strebe und Sitzfläche klaffte immer noch eine Lücke. Für Fränk Hofer, Leiter Sport bei der BfU, «besser als nichts – doch ein schlankes Kind könnte immer noch durchrutschen». Besser wären laut Hofer Streben bis auf den Sitz. Auf dem Markt gibt es auch sichere Systeme mit Magnet- oder Klettwesten für Kinder.
Eine gute Lösung fand das Personal in Engelberg: Der Mitarbeiter am Jochpass-Lift schloss bei allen Sesseln mit Kindern die Windschutzhaube. So ist ein Herausfallen praktisch unmöglich. Kinder unter 1,25 Meter dürfen aus Sicherheitsgründen nicht alleine auf den Sessellift.
Die Betreiber müssen dies mit einer Tafel den Eltern mitteilen. An den Sesselliften Bidmi-Käserstatt in Hasliberg und Nationale in Crans-Montana fehlte die Tafel. Am Chälen-Lift auf der Klewenalp war sie zwar vorhanden, aber so montiert, dass man sie erst beim Platznehmen auf dem Sessel bemerkte.
Für den Schneesport-Experten David Kerschbaumer von der BfU ist das ungenügend: «Dann ist es zu spät.» Auch beim Ausstieg gibt es Sicherheitslücken: Auf dem Bidmi-Lift in Hasliberg fordert ein Schild bereits 15 Meter vor dem Ausstieg dazu auf, den Sicherheitsbügel zu öffnen.
Zu diesem Zeitpunkt schwebt der Sessel noch knapp vier Meter über Boden. Für David Kerschbaumer ist klar: «Wer dieses Schild befolgt, riskiert einen Sturz.» Bruno Hauswirth von den Bergbahnen Meiringen-Hasliberg schreibt dem Gesundheitstipp, die Tafel solle nur «die Aufmerksamkeit der Gäste steigern», und behauptet: «Der Text besagt: 15 m bis zum Öffnen der Bügel». Doch das stimmt nicht, wie die Stichprobe zeigt (siehe drittes Bild von links im pdf-Artikel).
Die Warntafel für Kinder wiederum sei «im Eingangsbereich angebracht», so Hauswirth. Als vermeintlichen Beweis schickt er ein Foto mit, das die montierte Tafel zeigt. Tatsache ist: Am Tag der Stichprobe hing diese Tafel nicht dort (siehe viertes Bild von links im pdf-Artikel).
Immerhin verspricht Hauswirth, beim «2012 vorgesehenen Umbau» des Sessellifts werde man ein Kinderschutzsystem einbauen. Die Bergbahnen Crans-Montana geben zumindest an, den Einsatz von Magnetwesten für Kinder zu «prüfen». Und auch die Tafel sei inzwischen montiert.
Sepp Odermatt, Geschäftsführer der Klewenalp-Bahn, verspricht, die Tafel so anzubringen, dass sie «früher sichtbar ist». Eine Kindersicherung auf den Sesseln könne er dagegen nicht einbauen lassen: «Wir als Betreiber dürfen nicht nach Lust und Laune Sessel abändern.»
Doch nicht nur Sessellifte, auch Skilifte wiesen Sicherheitsmängel auf. Etwa beim Trassee: In Nendaz hatte es Steine im Schnee, in Grindelwald Erde. Fränk Hofer von der BfU sagt dazu: «Wer eine solche Stelle sieht, versucht auszuweichen. Ein hektisches Manöver kann einen Unfall auslösen.»
Einen gravierenden Sicherheitsmangel stellten die Fachleute auf der Klewenalp fest: Vor einem steilen Abhang links neben dem Trassee war zwar ein Netz gespannt. Es reichte aber nicht bis zum Boden. BfU-Experte David Kerschbaumer hält dazu fest: «Wer hier stürzt, kann unter dem Netz durchgleiten und den Abhang hinunterfallen.»
Sepp Odermatt von der Klewenalp-Bahn räumt diesen Fehler ein: «Wir haben das Netz bewusst höher montiert, damit wir es bei viel Schnee nicht wieder ausgraben müssen. Wir werden dies aber ändern.»
Die Männlichen-Bahn in Grindelwald schreibt, man habe das Trassee unterdessen «durch Einbringen von Schnee verbessert». Die Bergbahnen Nendaz schreiben, am Stichtag sei die Alpage-Piste noch teilweise gesperrt gewesen.
Aus diesem Grund «war die Signalisation wahrscheinlich noch nicht vollständig». Die Pisten seien aber vom Verband Seilbahnen Schweiz geprüft und hätten bei der letzten Prüfung ein «hervorragendes» Zeugnis bekommen. Ähnlich argumentieren auch andere der Betreiber.
Tipps: Mit Kindern auf dem Sessellift
- Kleinere Kinder sind auf dem Sessellift oft überfordert. So verhindern Sie Unfälle:
- Kinder unter 1,25 Meter dürfen nicht alleine auf den Lift.
- Beim Ein- und Aussteigen sollte ein Erwachsener den Sicherheitsbügel bedienen.
- Achten Sie darauf, dass Kinder ganz nach hinten rutschen und nicht auf der Sesselkante sitzen.
- Öffnen Sie den Bügel nicht vor der Bergstation – auch wenn ein Schild dazu aufruft.
- Auf Anfrage kann das Personal das Tempo des Lifts verlangsamen.
- In der Skischule lernen Kinder, wie sie sich auf Liften richtig verhalten.