«Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht an Matthias denken», sagt Eliane Schuwey aus Jaun FR. Vor bald fünf Jahren starb ihr Sohn - er war neun Jahre alt.
Als Sohn einer Bauernfamilie verbrachte Matthias viel Zeit im Freien und gehörte den Junioren des Schwingklubs an. «Von einem Tag auf den anderen wurde er krank», erinnert sich die Mutter. Matthias war plötzlich müde, mochte nach der Schule kaum mehr die Hausaufgaben machen. Der Arzt vermutete eine Grippe.
Als es dem Schüler nach zehn Tagen nicht besser ging, fuhren ihn die Eltern ins Spital. Dort stellte sich heraus: Matthias hat Leukämie. «Ich dachte, die Welt bricht zusammen», sagt Eliane Schuwey. Sofort bekommt der Junge eine Chemotherapie. Doch nur einen Monat später stirbt er.
Die Familie Schuwey ist nicht die einzige in Jaun, die einen solch schweren Schicksalsschlag verkraften muss. Vor einigen Jahren fielen dem Elektroingenieur Gérard Thürler die vielen Leukämie-Fälle im Dorf auf. Durch Gespräche mit älteren Dorfbewohnern kam er auf mindestens zehn Menschen, die in den letzten 50 Jahren an Leukämie gestorben waren - sechs davon Kinder.
Das sind weit mehr, als für ein Dorf mit 732 Einwohnern normal wäre. Thürler: «In Jaun ist das Risiko, an Leukämie zu erkranken, 20-mal höher als im Rest der Schweiz.» Und noch etwas fiel Thürler auf: Die meisten der Opfer hatten in der Nähe der Hochspannungsleitung gewohnt, die seit 1955 am Dorf vorbeiführt. Acht der zehn Opfer hatten höchstens 400 Meter davon entfernt gewohnt.
Die Hochspannungsleitung ist für Thürler «mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit» der Hauptgrund dafür, dass diese Leute krank wurden.
«Kriegt eines der Kinder Fieber, bekomme ich Angst»
Menschen, die in der Nähe einer Hochspannungsleitung wohnen, klagen oft über Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen. Gleichzeitig stellten mehrere Studien fest, dass Anwohner ein höheres Leukämierisiko haben. Soeben veröffentlichte das Fachblatt «British Medical Journal» eine Studie zum Thema. Sie verglich 9700 Kinder, die an Leukämie erkrankten, mit gesunden Kindern.
Ergebnis: Je näher ein Kind an einer Hochspannungsleitung wohnt, desto grösser ist die Gefahr, dass es an Leukämie erkrankt. Kinder, die weniger als 200 Meter von einer Hochspannungsleitung entfernt leben, haben ein 70 Prozent höheres Risiko. Die Forscher schätzen, dass 1 Prozent aller Leukämiefälle auf Hochspannungsleitungen zurückzuführen sind.
Familie Schuwey wohnt direkt neben der Hochspannungsleitung: Der kürzeste Abstand von den Drähten zum Haus beträgt 36 Meter. Seit Matthias' Tod ist Eliane Schuwey verunsichert. Zwar dürfe man nicht immer ans Schlimmste denken, sagt sie. «Aber wenn eins der Kinder Fieber kriegt, bekomme ich Angst.»
Mit der Unsicherheit lebt auch Aldo Buchs. Zwar lebt der 44-Jährige schon seit Jahren nicht mehr in Jaun. In seiner Jugend verbrachte er aber jeden Sommer auf einer Alp oberhalb des Dorfs. Die Hochspannungsleitung führt hier ebenfalls bloss 40 Meter neben der Alphütte vorbei. «Wir hörten immer das Brummen der Leitung und haben oft an den Masten gespielt», erinnert sich Buchs. Vor 20 Jahren bekam er Sehstörungen: «Ich sah plötzlich von allem nur noch die Hälfte. Wenn ich vor einem Haus stand, sah ich bloss das halbe Gebäude.» Die Ärzte stellten bei Buchs einen Hirntumor fest. Glücklicherweise konnten sie ihn herausoperieren.
Jahre später, im Herbst 2000, war es Aldo Buchs' Bruder Markus, dem es plötzlich schlecht ging: Er litt unter heftigen Kopfschmerzen und musste dauernd erbrechen. Die Diagnose auch bei ihm: Hirntumor. «Das war für die Familie eine Katastrophe», sagt Aldo Buchs. Der Tumor war schon zu weit fortgeschritten, eine Operation nicht mehr möglich. Drei Monate nach der Diagnose starb Markus Buchs.
Hirntumore als Folge von Elektrosmog
Möglicherweise spielte auch bei seinem Tod die Hochspannungsleitung eine Rolle: Forscher vermuten, dass Elektrosmog nicht nur Leukämie, sondern auch Hirntumore auslösen kann. Und in Jaun sind auch auffällig viele Menschen an Hirntumoren erkrankt: Mindestens sechs waren es in den letzten 50 Jahren, drei davon starben.
Betreiberin der Hochspannungsleitung in Jaun ist das Berner Energie-Unternehmen BKW. Nach den Toden von Matthias Schuwey und Markus Buchs mass die BKW die Magnetfelder in den beiden Häusern. In der Alphütte der Familie Buchs waren es 0,3 Mikrotesla, im Wohnhaus der Familie Schuwey 1 Mikrotesla. Zum Vergleich: Laut Bundesamt für Umwelt (Buwal) besteht ab einer Langzeitbelastung von 0,4 Mikrotesla «ein Verdacht auf ein doppelt so hohes Risiko für Leukämie bei Kindern». Trotzdem ist die Strahlung der Hochspannungsleitung in Jaun legal.
Denn die Grenzwerte erlauben starke Magnetfelder: Da die Leitung vor dem Jahr 2000 in Betrieb war, gilt ein Grenzwert von 100 Mikrotesla, der bei voller Auslastung nicht überschritten werden darf. Das ist das 250fache der Strahlung, die gemäss Buwal «möglicherweise» längerfristig schädlich ist.
Vom Gesundheitstipp auf die hohe Zahl von Leukämie- und Hirntumorfällen von Jaun angesprochen, sagt die BKW: Solche Leitungen seien auch anderswo vorhanden - dort seien keine Erkrankungen bekannt geworden. Zudem seien bei den Leitungen alle Vorschriften eingehalten worden.
Eine Messung bringt Gewissheit
Durch eine Messung können Sie feststellen, ob eine Wohnung mit Elektrosmog belastet ist. Die Abklärung für eine Vierzimmerwohnung kostet zwischen 250 und 600 Franken, je nach Aufwand und Anfahrtsweg. Folgende Firmen führen Messungen durch:
- Abschirm- & Messtechnik GmbH Flawil SG, Tel. 071 393 70 80
- Hans-Ulrich Jakob Elektrobiologische Analysen Schwarzenburg BE, Tel. 031 731 04 31
- Markus Durrer, Ecoengineer Malans GR, Tel. 081 501 40 25
- MPA Engineering AG, Effretikon ZH, Tel. 052 355 25 15
- Sanatest Walliser Dornach SO, Tel. 061 701 80 70
Aufruf
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Redaktion Gesundheitstipp, «Elektrosmog», Postfach 277, 8024 Zürich oder redaktion@gesundheitstipp.ch