Groupe Mutuel kneift
Wer eine Versicherung über einen selbständigen Vermittler abschliesst, muss aufpassen. Beantwortet dieser auch nur eine Frage im Antrag falsch, kann es für den Kunden teuer werden.
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K-Tipp 7/2005
06.04.2005
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Am 25. August 2003 wurde Abdula Iseni bei Abbrucharbeiten von einer Baggerschaufel an der Schulter getroffen. Der Mann aus Winterthur ZH ist noch heute arbeitsunfähig.
«Erst dachte ich, wenigstens finanziell müsse ich mir keine Sorgen machen», sagt er. «Denn ich hatte - nebst der obligatorischen Unfallversicherung - eine private Erwerbsausfall-Versicherung bei der Groupe Mutuel abgeschlossen, für die ich monatlich 142 Franken zahlte.»
Doch die Versicherung te...
Am 25. August 2003 wurde Abdula Iseni bei Abbrucharbeiten von einer Baggerschaufel an der Schulter getroffen. Der Mann aus Winterthur ZH ist noch heute arbeitsunfähig.
«Erst dachte ich, wenigstens finanziell müsse ich mir keine Sorgen machen», sagt er. «Denn ich hatte - nebst der obligatorischen Unfallversicherung - eine private Erwerbsausfall-Versicherung bei der Groupe Mutuel abgeschlossen, für die ich monatlich 142 Franken zahlte.»
Doch die Versicherung teilte ihm mit, sie könne keine Leistungen erbringen. Grund: Im Antragsformular sei damals die Frage, ob er in den letzten drei Monaten arbeitsunfähig gewesen sei, mit Nein beantwortet worden, obwohl er wegen eines anderen Unfalls zwei Wochen nicht hatte arbeiten können.
Das stimmt zwar, bloss: Nicht Iseni hatte das Antragsformular ausgefüllt, sondern der Versicherungsberater Bashkim Shala aus Winterthur. Und dieser bestätigte Isenis Anwalt schriftlich: «Es war mir bekannt, dass Herr Iseni während zwei Wochen zu 100 Prozent arbeitsunfähig war.»
Trotzdem wollte Groupe Mutuel für Isenis Lohnausfall nicht aufkommen. Sie berief sich auf Artikel 6 des Versicherungsvertragsgesetzes, wonach die Versicherung vom Vertrag zurücktreten kann, wenn der Versicherte bei Vertragsabschluss etwas Wesentliches «unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen hat». Das gelte auch dann, wenn ein selbständiger Makler das Formular für den Antragsteller ausgefüllt habe, liess die Versicherung ihren Kunden wissen. Denn: «Mit der Unterzeichnung des Antrags haben Sie die Verantwortung für diese Antworten übernommen.»
In der Tat: Laut Bundesgericht ist der Antragsteller grundsätzlich verantwortlich, wenn ein selbständiger Versicherungsvermittler - wie im Fall Iseni - eine einfache und klare Gesundheitsfrage falsch beantwortet. «Unterschreibt der Antragsteller das Formular, ohne die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen, handelt er auf eigenes Risiko», befand das Gericht in einem vergleichbaren Fall.
Versicherung zahlt in Spezialfällen
Fein raus sind Versicherungskunden nach der Gerichtspraxis nur in folgenden Fällen:
- Wenn der Vermittler, der das Formular ausgefüllt hat, ein Angestellter der Versicherung ist. Dann muss sich die Versicherung das Verhalten ihres Mitarbeiters anrechnen lassen.
- Wenn der Vermittler im Antrag für den Versicherungsinteressenten eine unklare oder schwierige Frage falsch beantwortet hat. In einem solchen Fall kann man dem Antragsteller nicht vorwerfen, dass er den Fehler hätte bemerken müssen.
Hat der Kunde das Formular selber ausgefüllt und eine unklare oder schwierige Frage falsch beantwortet, müsste er beweisen, dass er vom Agenten über die Bedeutung der Frage nicht richtig aufgeklärt wurde - ein oft aussichtsloses Unterfangen.
- Wenn der Antragsteller dem Agenten richtige Angaben gemacht hat, dessen Antworten auf dem Fragebogen aber wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht überprüfen konnte.
Hier könnte Abdula Isenis Chance liegen, sofern er vor Gericht geht. Denn der Albaner kann Deutsch kaum lesen. «Falls er dem Vermittler die Wahrheit gesagt hat, müsste die Versicherung laut einem Bundesgerichtsurteil die unrichtige Deklaration gegen sich gelten lassen», bestätigt der Ombudsman der Krankenversicherung, Gebhard Eugster.
Nur: Iseni müsste seine wahren Angaben gegenüber dem Agenten und seine fehlenden Sprachkenntnisse beweisen können. Und daran glaubt Groupe Mutuel nicht: «Da Herr Iseni seit 1991 in der Schweiz lebt, ist davon auszugehen, dass er zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die es ihm ermöglicht hätten, die Antworten zu überprüfen.» Die Versicherung werde aber aus Kulanz bezahlte Prämien zurückerstatten, sagt Sprecher Christian Feldhausen. Und: «Die Zusammenarbeitsvereinbarung mit Bashkim Shala haben wir gekündigt.»
Dass Groupe Mutuel zum Teil mit fragwürdigen Vermittlern zusammenarbeitet, zeigt auch der Fall von Peter Schmid (Name geändert), der ebenfalls leer ausging. Schmid beteuert, er habe dem Vermittler W. bei Vertragsabschluss gesagt, er sei krankheitshalber in ärztlicher Behandlung. W. habe entgegnet, das sei unwichtig - und die Frage nach bestehenden Gesundheitsstörungen verneint. Später erfuhr Schmid, dass W. im Gefängnis sitzt.
Dennoch nimmt Feldhau- sen seine Makler in Schutz: «Wir legen grossen Wert auf die Ausbildung der für uns tätigen Vermittler und investieren in produktbezogene und versicherungsrechtliche Schulungen. Trotz sorgfältiger Auswahl der Vermittler lässt sich unrichtiges Verhalten aber nie ganz ausschliessen.»
Beantworten Sie Gesundheitsfragen ehrlich
Wer sich gegen Erwerbsausfall, Krankheit oder Tod versichern will, muss Gesundheitsfragen beantworten. Hier die wichtigsten Tipps:
- Wenn ein Versicherungsmakler das Formular für Sie ausfüllt, vergewissern Sie sich, dass die Antworten wahrheitsgetreu und vollständig sind. Verlangen Sie nötigenfalls eine Korrektur.
- Lassen Sie sich nicht beirren, wenn der Vermittler sagt, eine bestimmte Frage sei nicht wichtig oder eine von Ihnen erwähnte frühere Gesundheitsstörung nicht meldungswürdig. Vermittler denken nämlich oft zuerst an ihre Provision - und diese erhalten sie nur, wenn sie den Antrag bei der Versicherung durchbringen.
- Wenn Sie den Versicherungsantrag selber ausfüllen, tun Sie dies sorgfältig und genau. Im Zweifelsfall ergänzen Sie den Fragebogen durch folgenden Hinweis: «Ich bin mir nicht sicher, ob die Angaben vollständig sind. Bitte erkundigen Sie sich bei meinem Hausarzt, Doktor XY, der Ihnen Auskunft geben kann.»
- Informieren Sie die Versicherung per Einschreiben, falls sich Ihr Gesundheitszustand vor Erhalt der Police verändert oder Sie ein ärztliches Untersuchungsergebnis erfahren.
- Falls Sie während der Vertragsdauer bemerken, dass Sie auf dem Antragsformular ein Gebrechen, das vor Vertragsabschluss aufgetreten ist, nicht angegeben haben: Teilen Sie dies der Versicherung schriftlich mit und erkundigen Sie sich, ob die Police trotzdem normal weiterläuft.
Vorbestehende Leiden: Elvia und Generali zahlten nicht
Krankheiten, die beim Vertragsabschluss schon bestehen, sind nicht versichert - auch wenn man sie noch nicht bemerkt hat.
Halim Sönmez genoss den einmonatigen Besuch bei Sohn und Schwiegertochter in Au SG. Doch zwei Tage vor der Heimreise in die Türkei erkrankte der 67-Jährige an einer Nierenbecken-Entzündung. Die nötige Behandlung im Kantonsspital St. Gallen kostete rund 12 000 Franken.
Die Rechnung schickten Nilgün und Erdinc Sönmez der Elvia, bei der sie für den Vater eine Heilungskosten-Versicherung für die Dauer seines Aufenthalts in der Schweiz abgeschlossen hatten. Doch die Elvia winkte ab: Die Entzündung sei auf einen Nierenstein zurückzuführen, der - unbemerkt - schon vor der Reise bestanden habe.
Die Versicherung nutzt damit Artikel 9 des Versicherungsvertragsgesetzes aus, der besagt, dass bestehende Leiden nicht versicherbar sind. Das gilt selbst dann, wenn der Kunde bei Vertragsabschluss nichts von seinem Leiden wusste. So stehts auch im Kleingedruckten der Elvia. Fachleute haben die Anwendung von Artikel 9 auf Krankheitsfälle bereits früher kritisiert (K-Tipp 14/02). Einige Versicherungen verzichten denn auch freiwillig darauf, ihn anzuwenden (K-Tipp 7/04).
Nicht so die Elvia - und auch nicht die Generali. Der italienische Versicherungsriese weigerte sich, Kundin Cornelia Schumacher aus Ennetbürgen NW den vereinbarten Lohnausfall zu bezahlen, als diese wegen unfallbedingter Rückenbeschwerden arbeitsunfähig wurde. Schumacher habe, so die Generali, schon vor dem Vertragsabschluss an Rückenschmerzen gelitten.
«Das stimmt», sagt die Versicherte, «aber vor dem Unfall waren es ganz andere Beschwerden, ohne Lähmungserscheinungen.»
Das sieht nun auch die Generali so. Nachdem sich der K-Tipp eingeschaltet hatte, krebste sie zurück. Das war vor sechs Wochen. Seither wartet Schumacher auf das Geld.
(thm)