«Da wird Angst geschürt»
Von Bettwäsche bis zu Schneidebrettern: Viele Produkte enthalten Triclosan. Experten warnen: Der Wirkstoff ist unnütz und kann Allergikern schaden.
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K-Tipp 6/2004
24.03.2004
Urs Fitze - redaktion@ktipp.ch
Spezialfasern verhindern das Eindringen von Milben und das Wachstum von Bakterien. Das Material reduziert die Geruchsbildung und fördert somit das Wohlbefinden», schreibt der Gossauer Bettwaren-Hersteller Happy Systems über seine «Amicor Pure»-Bettdecke, die «nicht nur Allergikern» empfohlen wird.
Was nicht erwähnt wird: Die Faser Amicor enthält Triclosan. Dieser Stoff steht im Verdacht, Bakterien im menschlichen Körper gegen Medikamente wie Antibiotika resistent zu mach...
Spezialfasern verhindern das Eindringen von Milben und das Wachstum von Bakterien. Das Material reduziert die Geruchsbildung und fördert somit das Wohlbefinden», schreibt der Gossauer Bettwaren-Hersteller Happy Systems über seine «Amicor Pure»-Bettdecke, die «nicht nur Allergikern» empfohlen wird.
Was nicht erwähnt wird: Die Faser Amicor enthält Triclosan. Dieser Stoff steht im Verdacht, Bakterien im menschlichen Körper gegen Medikamente wie Antibiotika resistent zu machen. Der Hersteller behauptet auf seiner Homepage zwar:
«Seit Jahren wird Triclosan in Mundspülmitteln und Zahnpasta verwendet, ohne dass Bakterien Resistenzen entwickelt hätten.»
Gesundheitliche Folgen für Allergiker
Das stimmt nachweislich nicht: In Labortests haben Keime Resistenzen entwickelt - nicht nur gegen Triclosan, sondern auch gegen Antibiotika. Mit direkten gesundheitlichen Auswirkungen müssen Allergiker rechnen. 20 von 2295 Patienten mit Hautkrankheiten - rund ein Prozent- zeigten in einer Schweizer Studie allergische Reaktionen auf Triclosan.
Dies kümmert viele Produzenten wenig: Das auch von der Ciba Spezialitätenchemie unter dem Namen «Irgasan DP 300» vertriebene Triclosan hat sich auf breiter Front durchgesetzt.
Es findet sich nicht nur in der Happy-Bettwäsche, sondern auch in Rohner-Damensportsocken, in Zahnpastas der Marken Candida und Colgate und im Kunststoff von Schneidebrettern.
Deklariert werden muss der Stoff nur in kosmetischen Artikeln, wo er oft als Konservierungsmittel verwendet wird. Dort sind maximal 0,3 Prozent Beimischung erlaubt. Bettwaren, Socken und Küchenartikel muss man nicht deklarieren, weils keinen Grenzwert gibt.
Vorsicht, wenn es antimikrobiell heisst
Generell gilt: Vorsicht, wenn mit Attributen wie «antimikrobiell» oder «sanitized» geworben wird. Dort ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Organismen abtötende Chemikalien - so genannte Biozide wie etwa Triclosan - zum Einsatz kommen.
Wie verbreitet Triclosan heute ist, zeigen die Ergebnisse einer Studie der Universität Stuttgart: Der Stoff fand sich etwa in Tampons, Verpackungen für Camembertkäse, Katzenstreu und Gefrierbeuteln. Und auch in hoher Konzentration im Abwasser, denn Triclosan wird nicht vollständig biologisch abgebaut. Forscher der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz fanden Spuren davon im Sediment des Greifensees.
Bei den Konsumenten «wird eine völlig unbegründete Angst vor Mikroben geschürt», sagt Biologe Armin Schuster vom Universitätsklinikum Freiburg im Breisgau (D). «Die Keime in unserem unmittelbaren Umfeld sind nämlich meist harmlos.»
Noch schlimmer: Es sei nicht auszuschliessen, dass Triclosan die Abwehrfähigkeit der Haut gegen Bakterien und Viren zerstöre.
Zudem weckten die Hersteller in ihrer Werbung falsche Erwartungen. Schuster: «Wenn behauptet wird, ein in Kunststoffschneidebretter eingearbeitetes Biozid verhindere das Entstehen von Bakterien, stimmt das allenfalls, wenn man ein salmonellenhaltiges Brett stundenlang feucht und ausserhalb des Kühlschranks herumstehen lässt. Unter solchen Bedingungen wird nämlich die Wirksamkeit solcher Biozide getestet.» Ein Unsinn - denn wer lässt schon heikle Lebensmittel stundenlang in einem sehr warmen Raum liegen.
Aber auch die Happy-Systems-Werbung spielt mit Bedrohungen, die laut Schuster nicht vorhanden sind: «Bakterien in Bettwäsche stellen für Menschen nicht das geringste Problem dar.»
Wie lange Triclosan noch so bedenkenlos und undeklariert verwendet werden darf, ist ungewiss. Die EU hat bereits 1998 Richtlinien zum Einsatz von Bioziden erlassen. Und die Schweiz hat 2003 eine Verordnung in die Vernehmlassung geschickt. Danach entscheidet künftig das Bundesamt für Gesundheit, ob Biozide in Produkten enthalten sein dürfen. Die Übergangsfristen sind indes so grosszügig, dass es noch Jahre dauern wird, bis griffige Bestimmungen in Kraft sind.
Experten des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung und des österreichischen Umweltbundesamts sind sich schon heute einig: «Solche Mittel gehören nicht in den Haushalt», schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung.