Nicht auf vollen Touren laufen!
Beim Joggen ständig ans Limit gehen, das Letzte aus sich herausholen - ein fataler Irrtum. Auf die Dauer schadet zu intensives Ausdauertraining der Gesundheit.<br />
Wer mit niedrigerer Pulsfrequenz trainiert, fühlt sich weniger kaputt und tut seinem Körper Gutes.
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Gesundheitstipp 2/2004
18.02.2004
Christine Frey - redaktion@pulstipp.ch
Schneller, besser, stärker. Daran glaubte auch Walter Ruedi Frei. Der Hobbysportler verausgabte sich 17 Jahre lang zweimal die Woche beim Joggen. Doch das harte Training zahlte sich nicht aus. Frei: «Meine Leistungen wurden nicht besser.» Auch an Wettläufen konnte der Athlet kaum die Leistung steigern. Im Gegenteil: Die Rennen schienen ihm immer härter zu werden. Frei war frustriert. Er entschloss sich, seine Leistungsfähigkeit beim Sportarzt testen zu lasse. Das Ergebnis: Walter Ruedi Fre...
Schneller, besser, stärker. Daran glaubte auch Walter Ruedi Frei. Der Hobbysportler verausgabte sich 17 Jahre lang zweimal die Woche beim Joggen. Doch das harte Training zahlte sich nicht aus. Frei: «Meine Leistungen wurden nicht besser.» Auch an Wettläufen konnte der Athlet kaum die Leistung steigern. Im Gegenteil: Die Rennen schienen ihm immer härter zu werden. Frei war frustriert. Er entschloss sich, seine Leistungsfähigkeit beim Sportarzt testen zu lasse. Das Ergebnis: Walter Ruedi Frei lief viel zu schnell und mit viel zu hohem Puls.
Der Körper wird überlastet, die Leistung bricht zusammen
Kein Einzelfall, wie nun eine Studie der Deutschen Sporthochschule in Köln zeigt: Jeder zweite Jogger gefährdet seine Gesundheit, weil er permanent an der Leistungsgrenze läuft. Bei Herzrhythmus-Störungen kann dies gar lebensgefährlich sein. Vorboten dafür sind: Pulsrasen, Seitenstechen, Muskelkrämpfe oder Kreislaufprobleme.
Auch das Verletzungsrisiko steigt, wenn der Körper am Limit ist. Er setzt zudem zu viele Stresshormone frei. «Training mit zu hohem Puls schadet auf die Dauer.» Dies bestätigt auch der Mediziner Walter Frey vom Sportzentrum Movemed an der Zürcher Klinik Hirslanden.
Trainiert der Läufer mit eher niedrigem Puls, kann der Körper ausreichend Energie mit Hilfe des Sauerstoffs gewinnen. Fachleute sprechen von aerobem Training.
Bei zu intensivem Training reicht der eingeatmete Sauerstoff nicht mehr zur Energiegewinnung. Im Körper häuft sich Milchsäure an, das so genannte Laktat. Fachleute sprechen vom anaeroben Training. Doch das viele Laktat übersäuert die Muskeln. Dies schwächt den gesamten Organismus. Sportarzt Frey: «Wer immer nur mit hoher Pulsfrequenz trainiert, der macht keinen richtigen Trainingsaufbau.» Die Gefahr: Der Körper wird überlastet und die Leistung bricht zusammen.
Genau so war es bei Jogger Frei. Sein Arzt verordnete ihm deshalb ein Basistraining bei niedriger Pulsfrequenz. Der Läufer zweifelte zuerst an diesem Rezept. Trotzdem hielt er sich zwei Monate lang daran und trainierte viel leichter. Das Resultat liess nicht lange auf sich warten: «Als ich zum ersten Mal wieder an einen Wettkampf ging, war ich schneller als je zuvor.» Das hat Hobbysportler Frei überzeugt. Heute joggt er dreimal wöchentlich 12 Kilometer ins Geschäft - mit einem Puls von 140 statt wie früher mit 165. «Jetzt komme ich auch nicht mehr so kaputt an meinem Ziel an», sagt der 41-Jährige.
Zu schnelles Joggen: «Das Problem sitzt im Kopf»
Joggen ist in mancher Hinsicht gut für die Gesundheit. Ausdauertraining kräftigt den Herzmuskel und beugt so Herzinfarkten vor, es stärkt das Immunsystem, wirkt Übergewicht entgegen und tut der Psyche gut. Allerdings gilt das nur für gemässigtes Joggen.
Doch diese Einsicht fällt oft schwer, wie Sportarzt Frey bestätigt: Rund zwei Drittel aller Jogger sind zu schnell unterwegs. Der Grund: Sie glauben, sie hätten nur dann ausreichend trainiert, wenn die Muskeln schmerzen und sie nach dem Training völlig erschöpft sind. Für Sportarzt Frey ist klar: «Das Problem sitzt im Kopf.»
Auch Beat Villiger, Chefarzt des Sportmedizinischen Zentrums Ragaz und selbst ein begeisterter Jogger, beobachtet dieses Phänomen selbst bei erfahrenen Läufern: «Viele glauben, je mehr sie sich anstrengen, umso besser.»
Doch wie sieht ein ideales Ausdauertraining aus? Sportarzt Frey: «Wichtig ist: Während des Rennens muss man noch miteinander reden können.» Damit kann man kontrollieren, ob man zu schnell joggt. Und nach dem Lauf sollte man sich erholt fühlen wie nach einem Spaziergang.
Ebenso wichtig sind bewusst eingeplante Ruhetage. Sportarzt Villiger: «Die eigentliche Leistungsverbesserung passiert vor allem während der Ruhephase.»
Was viele vergessen: Ständig im Grenzbereich zu laufen, kann einem die Lust am Joggen gründlich verderben. Studien belegen: Je intensiver Anfänger trainieren, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie das Joggen wieder aufgeben. Villiger rät deshalb, sich auch am Anfang nicht zu überfordern: «Das Beste ist, die andern laufen zu lassen und sich zu denken: Mit einer guten Basis hole ich die alle bald locker ein.»
Damit es wie am Schnürchen läuft
- Joggen Sie nur so schnell, dass Sie während des Rennens noch reden können.
- In Gruppen laufen macht Spass. Die Gruppendynamik kann jedoch dazu führen, dass Sie zu schnell laufen. Trainieren Sie deshalb ab und zu alleine und lernen Sie Ihre eigenen Fähigkeiten kennen.
- Luxusvariante: Mit dem so genannten Laktatstufentest beim Sportarzt erfahren Sie, welches Ihr idealer Puls ist.
- Trinken Sie vor dem Training ein leicht gezuckertes Getränk und essen Sie nach dem Joggen etwas Kohlenhydrathaltiges.
- Tragen Sie schlagdämpfende Schuhe. Das schont Ihre Gelenke.
Siehe auch:
www.dr-walser.ch/jogging.htm
Buchtipp:
Fit im Alltag. Ein Puls-Tipp-Ratgeber für mehr Schwung im Leben. 25 Franken. Bestelltalon auf Seite 9.